Die globalisierte Welt erscheint uns durchsichtig und undurchsichtig zugleich. Das Verlangen nach mehr Transparenz in der Kommunikation, Politik und Wirtschaft einerseits und der Verlust von Privatsphäre durch die absolute Verfügbarkeit von Informationen andererseits ist seit einiger Zeit ein allgegenwärtiges Dilemma in unserer Gesellschaft. Trotz des grundsätzlich positiven Versprechens der Transparenz werden aktuell verstärkt Zweifel an ihrer Auswirkung auf die Gemeinschaft und das Verständnis von Öffentlichkeit artikuliert. Auf der Ebene der privaten Nachrichtenübermittlungen ist beispielsweise ein großes Gefühl der Unsicherheit spürbar: Zwar schätzen wir den freien Daten-Austausch im Internet, zugleich sind wir gegen eine gläserne Gemeinschaft, in der persönliche Daten von Algorithmen kontrolliert werden. Dementsprechend haben sich im Zeitalter digitaler Daten die kulturhistorischen Vorstellungen zur Transparenz grundlegend verändert.
„Transparenzen“ untersucht die kulturellen Facetten und Atmosphären dieser (Un-)Durchsichtigkeit. In zwei Ausstellungsteilen, in Bielefeld und Nürnberg, widmet sich das Kooperationsprojekt den Entwicklungen einer „Transparenzgesellschaft“ und fragt, wie diese in aktuellen Arbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen reflektiert werden. Dabei setzen sich die beteiligten KünstlerInnen mit dem Paradigma der Transparenz und der Ambivalenz des Begriffs auf vielschichtige Weise auseinander. Sie beschäftigen sich mit den Folgen eines von Algorithmen und Datensammlungen unterstützten Durchschauens unserer Lebenswelt oder thematisieren ein verändertes Verhältnis zur Privatheit. Ebenso vermitteln sie einen kritischen Umgang mit der Post-Privacy-Gesellschaft durch Verweigerungsstrategien oder bewusste Offenlegung von Daten. Der zwischenmenschliche Austausch sowie dessen mögliche Kontrolle werden ebenfalls zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand. Neben diesen Effekten des fortschreitenden und sich medial erweiternden Informationszeitalters untersuchen die Arbeiten auch die grundlegende Bedeutung von Präsenz und Absenz, das Potenzial von Enthüllung und Verhüllung sowie den Umgang mit Wissensvermittlung und Unwissenheit innerhalb unserer Gesellschaft. Dabei bewegen sich die KünstlerInnen inhaltlich in unterschiedlichen Feldern und fokussieren Transparenz in Hinblick auf die Kommunikation, Politik, Zeitgeschichte, Ökonomie, Soziologie oder der (Meeres-)Biologie.
Die Erfahrung der Transparenz innerhalb der Ausstellung wird durch die zeitgleichen Präsentationen in Bielefeld und Nürnberg verstärkt. Alle KünstlerInnen sind an beiden Orten vertreten, doch setzen sie andere thematische und räumliche Akzente innerhalb ihrer Werke. Beide Ausstellungen sind nicht nur inhaltlich, sondern auch über verschiedene Medien und künstlerische Beiträge miteinander verknüpft. So werden beispielsweise Informationen und Werke bewusst zurückgehalten, nur ausschnitthaft oder gar nicht erst präsentiert, sodass auch das Ausstellungsthema am jeweils anderen Ort in seiner Wandelbarkeit deutlich wird. Mit den beiden korrespondierenden Präsentationen wird nicht nur ihre Parallelität betont, sondern auch Übergänge von Transparenz und Opazität für den Besucher erfahrbar gemacht.
Bereits im Vorfeld zur Ausstellung hat das Grafikbüro Metahaven mit einer Familie von Logotypen ein eigenes visuelles Erscheinungsbild für „Transparenzen“ entwickelt, welches sich auf das Corporate Identity vermeintlich ‚transparenter’ Produkte wie Klarlacke oder Unternehmen wie Volkswagen bezieht und davon ableitet. Eine weitergehende Reflexion zum Thema der Transparenz wird auch mit einer wissenschaftlichen Tagung, einer Reihe von Ausstellungsgesprächen, Workshops und einer gemeinsamen Projektwebsite angeregt. „Transparenzen“ ermöglicht damit eine weitergehende kulturhistorische Einordnung und erfasst gleichzeitig die (Grenz-)Erfahrungen einer neuen Sichtbarkeit aus gegenwärtiger Perspektive. Zum Abschluss des Projekts erscheint ein umfassendes Katalogbuch mit weiterführenden Texten von Emmanuel Alloa, Clare Birchall, Simone Neuenschwander, Manfred Schneider und Thomas Thiel.
KuratorInnen: Simone Neuenschwander und Thomas Thiel
Neïl Beloufa
Neїl Beloufa, Data for Desire, 2014 (Detail)
Installationsansicht „Neїl Beloufa: Counting on People“, Institute of Contemporary Arts, London, 2014, Foto: Mark Blower, Courtesy der Künstler, VG Bild-Kunst, Bonn 2015
*1985, Paris, Frankreich; lebt in Paris
Zwischen Fiktion und Realität angesiedelt, wenden sich die Werke von Neïl Beloufa gegen eine Vereinfachung von kulturellen Stereotypen und widmen sich stattdessen der Vielfalt von menschlichen Beziehungen. Beloufa ist bekannt für seine Videoarbeiten und Projektionen, die er stets in skulpturale Settings einbettet. Diese begehbaren, polyperspektivischen Installationen sind zugleich Skulptur und Display und erzeugen oft fragmentarische und halbtransparente Bilder. Die Auswahl seiner Themen umfassen Außerirdische, Nationalismus, Terrorismus oder die Zukunft und folgen dabei keinen kulturell oder historisch festgelegten Hierarchien. Ob überlieferter Kanon, Mainstream oder Exotisches, alles ist gleich relevant und könnte als Referenzobjekt in einem seiner Filme auftauchen. Beloufa geht bei seinen Projekten immer sehr ähnlich vor: Sein Interesse gilt einem thematischen Gegenstand, den er mit professionellen Schauspielern oder Laien-Darstellern bearbeitet und in seiner Bedeutung verschiebt, um daraus eine neue Erzählung zu entwickeln.
Juliette Blightman, Portraits and Repetition, 2015 (Filmstill)
Courtesy die Künstlerin und Isabella Bortolozzi Galerie, Berlin
*1980, London, UK; lebt in Berlin
In ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Juliette Blightman mit den durchlässigen Beziehungen, die sich zwischen Kunst und Leben, Privatheit und Öffentlichkeit entfalten. Seit einiger Zeit materialisiert Blightman ihre Alltagserlebnisse als Künstlerin: Sie sammelt diese im Atelier, auf ihren Reisen, in Kollaborationen mit anderen KünstlerInnen sowie in ihren Erfahrungen des Mutterseins. Die Arbeiten entstehen wie fortlaufende Tagebucheinträge, die sie in unterschiedliche Medien wie Fotografie, Zeichnung, Malerei, Text und Film übersetzt. Dabei konzentriert sich Blightman neben der individuellen Wahrnehmung von Zeitlichkeit vor allem auch auf den Entstehungsprozess ihrer künstlerischen Produktionen selbst. Ihr Archiv zeigt sie nie in seiner Gesamtheit, sondern als installativ gruppierte Anordnungen oder filmische Tableaus, die in der Auswahl der Bilder die gesellschaftlichen Vorstellungen von Intimität und deren Inszenierung reflektieren.
Foto: Jack Hems, Courtesy der Künstler und Lisson Gallery, London
*1976, Chester, UK; lebt in London und Suffolk
Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, Verbergen und Enthüllen sind wiederkehrende Themen in den Arbeiten von Ryan Gander, in denen er konzeptuelle Strategien mit reduzierten Gesten und visueller Direktheit verknüpft. Ganders Werke entstehen ausgehend von seiner gegenwärtigen Umgebung und seinem Interesse am alltäglichen Leben. Wie ein Sammler eignet er sich Objekte, Materialien und Fragmente der Realität an, um sie in ein eigenes Begriffssystem zu überführen, das existierende Gesetzmäßigkeiten entkräftet und neu interpretiert. Dabei greift er auf unterschiedliche Facetten der kulturellen Produktion zurück und beschäftigt sich in seiner Arbeitspraxis neben Skulptur, Installation und Fotografie ebenfalls mit performativen Vorträgen, Literatur, Design und Architektur. Stets ist die Aktivierung der Erfahrungen und Vorstellungskraft der Betrachter zentraler Bestandteil: Die Leerstellen, Täuschungen und Mehrdeutigkeiten in seinen Arbeiten schärfen die Wahrnehmung und desorientieren das Publikum auf positive Weise.
Calla Henkel & Max Pitegoff
Calla Henkel & Max Pitegoff, NAB (window), 2010/2015
Courtesy the KünstlerInnen und Isabella Bortolozzi Galerie, Berlin
*1988, Minneapolis, USA / *1987, Buffalo, USA; leben in Berlin
In ihren Fotografien, Objekten, Performances und Texten reflektieren Calla Henkel und Max Pitegoff die Bedingungen der künstlerischen Produktion, deren Schnittstellen zur Dienstleistung sowie deren Bedeutung für zwischenmenschliche Beziehungen. Den Arbeiten von Henkel und Pitegoff liegen oft eingehende Recherchen ihres direkten sozialen Umfelds zugrunde. Ausgehend von ihren Beobachtungen zu den gesellschaftspolitischen Auswirkungen von Gentrifizierung oder Prekariat befragen sie die Rolle des Künstlers und reflektieren, welche Position und Gestaltungsräume er innerhalb dieser Entwicklungen einnehmen kann. Prozesshaftigkeit und formale Offenheit sind wichtige Bestandteile ihrer Arbeiten, was sich auch in ihren kollaborativen Projekten mit befreundeten KünstlerInnen wiederspiegelt. Mit der Bar und dem parallelen Ausstellungsraum „Times Bar“ (2007 bis 2012, mit Lindsay Lawson) sowie mit dem Performanceraum „New Theater“ (2013 bis 2015) haben sie in Berlin Orte des künstlerischen Austauschs geschaffen, in denen das reale Ereignis genauso wie der kollektive Entstehungsprozess der Produktionen im Zentrum stand.
David Horvitz
David Horvitz, Mood Disorder, 2012-laufend
Courtesy der Künstler und Chert, Berlin
*1982, Los Angeles, USA; lebt in New York
Die Kommunikation und Distanz zwischen Menschen stehen oft im Mittelpunkt der konzeptuellen Arbeiten von David Horvitz, mit denen er eine alternative Logik innerhalb gängiger Datenübermittlungen sowie standardisierter Vermessungen der Zeit schafft. Horvitz bedient sich unterschiedlicher Vertriebs- und Informationssysteme wie Online-Plattformen, dem Postversand sowie auch Fundbüros an Flughäfen, in die er seine Bilder und Objekte einspeist und weiter zirkulieren lässt. Daraus entwickelt sich oft eine unkontrollierbare Eigendynamik, welche die emotionalen Komponenten des zwischenmenschlichen Austauschs gegenüber der Virtualität und Flüchtigkeit der digitalen Kommunikation reflektiert. Weiter fokussiert er in seinen Werken, welchen Zeitwert heute Daten im Kontext der Open Access-Kultur haben und welche Rolle die Autorschaft und das Urheberrecht dabei einnehmen.
Katja Novitskova, 4moms Mamaroo (deep sea), aus der Serie PATTERN OF ACTIVATION (Loki's Castle), 2015
Installationsansicht, LIAF 2015, Svolvær, Norwegen, Courtesy die Künstlerin und Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin
*1984, Tallinn, Estland; lebt in Amsterdam und Berlin
Katja Novitskova zeigt in ihren Arbeiten den aktuellen Wandel im Umgang mit digitalen Abbildern der Natur, ihren Einfluss auf die menschliche Wahrnehmung und den Möglichkeiten einer visuellen Erkenntnis mit bildgebenden Verfahren. Dabei greift sie auf digitale Fundstücke eines hochaufgelösten Bildmaterials aus der Wissenschaft und Werbung zurück. Ihre kulissenhaften Installationen zeigen eine Welt, die allein auf Internetrecherchen und computergestützten Visualisierungen beruht. Die Illusion authentischer Natürlichkeit thematisiert sie, indem sie klischeehafte Stock-Fotografien, Infografiken sowie Animationen als artifizielle Objekte produzieren lässt und zusammen mit Konstruktionen industrieller Erzeugnisse im physischen Ausstellungsraum präsentiert.
Vinca Kruk *1980, Leiden, Niederlande; lebt in Amsterdam Daniel van der Velden *1971, Rotterdam, Niederlande; lebt in Amsterdam
Metahaven, gegründet 2007 von Vinca Kruk und Daniel van der Velden, setzen sich mit den grafischen Identitäten der Politik, Ökonomie und Kultur in unserem visuellen Alltag auseinander. Ein besonderes Interesse gilt dabei einer Ästhetik der Transparenz an der Schnittstelle von Design, Architektur und Pop-Kultur. Das Designbüro verfolgt Grafikdesign als inhaltliche Forschung und versteht Gestaltung als Beitrag zu einer politisch-gesellschaftlichen Debatte. Medialer Ausgangspunkt ihrer Arbeit sind dabei die unsichtbaren Macht- und Vermarktungsstrategien des Internets, in dem durch digitale Bilder, Interfaces und Erscheinungsbilder Hoheiten der Informationsvermittlung manifestiert werden.
Yuri Pattison, the ideal (v. 0.2), 2015 (Filmstill)
Courtesy der Künstler und H.M.Klosterfelde Edition Berlin
*1986, Dublin, Irland; lebt in Berlin und London
Die jüngsten Arbeiten von Yuri Pattison zeigen, wie sich gegenwärtig digitale und reale Welten wechselseitig durchdringen und welche Auswirkungen diese stetige Entwicklung auf unsere Gesellschaft und deren ökonomisches System haben. Das Werk von Pattison umfasst installative Arbeiten, die er mit digitalem Quellenmaterial und Videos, technischen Geräten sowie skulpturalen Elementen kombiniert. Dazu nutzt er nicht nur die Produktionsmöglichkeiten und den unerschöpflichen Fundus von Bildern und Informationen im Internet, sondern auch werkimmanente Technologien und darin involvierte Dritte. Ästhetisch bezeichnend für seine Installationen und Online-Projekte ist die Offenlegung der verwendeten Technik und Medien, die meist verborgene Prozesse der Informationstechnologien fokussieren und menschliche Eingriffe sichtbar machen. Pattisons Arbeiten kreisen um die absurden Entwicklungen des Internets und die realen Folgen unserer Online-Aktivitäten, die wir im Alltag oft nicht mehr nachvollziehen können.
Eröffnung mit Grußworten von Andreas Wannenmacher (1. Vorsitzender, Bielefelder Kunstverein), Dr. Udo Witthaus (Beigeordneter für Schule, Bürger und Kultur der Stadt Bielefeld) und Alexander Farenholtz (Vorstand, Kulturstiftung des Bundes), sowie einer Einführung von Simone Neuenschwander (Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft) und Thomas Thiel (Bielefelder Kunstverein)
Sa, 7. November 2015
15 Uhr
Künstlergespräch mit den anwesenden KünstlerInnen
Do, 19. November 2015
19 Uhr
Vortrag und Künstlergespräch mit David Horvitz
Sa, 21. November 2015
10–15 Uhr
Kinderaktion für Kinder von 6–12 Jahren mit einer altersgerechten Führung und praktischem Workshop
Sa, 28. November 2015
12–18 Uhr
Symposium „Transparenzen“ mit Vorträgen von Dr. Clare Birchall, Metahaven und Prof. Dr. em. Manfred Schneider
So, 29. November 2015
17 Uhr
Öffentliche Führung mit Juliane Schickedanz
Do, 3. Dezember 2015
19 Uhr
Ausstellungsgespräch und Führung mit padeluun (Künstler und Netzaktivist, Art d’Ameublement / Digitalcourage e.V., Bielefeld)
So, 13. Dezember 2015
17 Uhr
Öffentliche Führung mit Cynthia Krell
Do, 14. Januar 2016
19 Uhr
Ausstellungsgespräch und Führung mit Dr. Inke Arns (Direktorin, Hartware MedienKunstVerein, Dortmund)
Sa, 16. Januar 2016
14–18 Uhr
Workshop #wie transparent will ich sein? für Jugendliche (ab 13 Jahren) mit Cynthia Krell
So, 17. Januar 2016
17 Uhr
Kuratorenführung mit Thomas Thiel
Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft
Fr, 20. November 2015
19 Uhr
Eröffnung mit Grußworten von Peter Naumann (1. Vorsitzender, Kunstverein Nürnberg) sowie einer Einführung von Simone Neuenschwander (Kunstverein Nürnberg) und Thomas Thiel (Bielefelder Kunstverein)
Sa, 21. November 2015
14 Uhr
Künstlergespräch mit Juliette Blightman, David Horvitz und Yuri Pattison
Do, 26. November 2015
18 Uhr
Kuratorenführung mit Simone Neuenschwander
Fr, 27. November bis So, 29. November 2015
Mitgliederreise nach Bielefeld und Besuch der wissenschaftlichen Tagung im Bielefelder Kunstverein. Angebot für Mitglieder; kostenpflichtig; neuer Anmeldeschluss: 16. November 2015. Anmeldungen unter: mail@nullkunstvereinnuernberg.de
Do, 10. Dezember 2015
18 Uhr
Öffentliche Führung mit Judith Grobe
So, 20. Dezember 2015
13 Uhr
Sonntagsführung mit Simone Neuenschwander und Judith Grobe
Mi, 13. Januar 2016
19 Uhr
Ausstellungsgespräch mit Kerstin Stakemeier (Professorin für Kunsttheorie und Kunstvermittlung, AdBK Nürnberg)
Di, 26. Januar 2016
19 Uhr
Ausstellungsgespräch mit Deborah Schamoni (Galeristin und Filmemacherin, München)
So, 31. Januar 2016
15 Uhr
Finissage und Book Launch zum Katalogbuch „Transparenzen“; mit einem Rückblick und einer Führung der KuratorInnen des Projekts, Simone Neuenschwander und Thomas Thiel
Symposium
Programm
Begleitend zur Ausstellung vertieft das internationale Symposium die Untersuchungen zum aktuellen Paradigma der Transparenz und zur Ambivalenz des Begriffs. Die eingeladenen ReferentInnen aus den Fachrichtungen der Design-, Literatur- und Kulturwissenschaft ordnen das Phänomen „Transparenz“ kulturgeschichtlich ein, befragen es in Bezug zur künstlerischen Praxis und reflektieren es im Spannungsfeld von Individuum und Gemeinschaft. Die Tagung erweitert damit das zweiteilig, wechselseitig aufgebaute Ausstellungsprojekt „Transparenzen“ im Bielefelder Kunstverein (7. November 2015 bis 17. Januar 2016) und im Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft (21. November 2015 bis 31. Januar 2016).
Samstag, 28. November 2015
12 Uhr
Begrüßung und Einführung Thomas Thiel (Direktor, Bielefelder Kunstverein) Simone Neuenschwander (Direktorin, Kunstverein Nürnberg – Albrecht Dürer Gesellschaft)
„Durchsichtige Körper, gläserne Wände: Utopien der Transparenz“ Prof. Dr. em. Manfred Schneider (Bochum)
Pause
14 Uhr
„Approaching Secrecy and Transparency through Art“ Dr. Clare Birchall (London)
Podiumsgespräch mit Clare Birchall, Metahaven, Simone Neuenschwander, Manfred Schneider und Thomas Thiel
Anmeldung und Veranstaltungsgebühr
Aufgrund der begrenzten Teilnehmerzahl ist eine schriftliche Anmeldung per E-Mail an Cynthia Krell (krell@nullbielefelder-kunstverein.de) oder per Fax (0521-178810) erforderlich. Die Veranstaltungsgebühr beträgt 12 Euro (ermäßigt 8 Euro, Mitglieder kostenfrei).
Veranstaltungsort
Bielefelder Kunstverein im Waldhof Welle 61 D-33602 Bielefeld T +49 (0) 521.17 88 06 F +49 (0) 521.17 88 10 www.bielefelder-kunstverein.de kontakt@nullbielefelder-kunstverein.de
Prof. Dr. Manfred Schneider
Durchsichtige Körper, gläserne Wände: Utopien der Transparenz
„Transparenz“ ist ursprünglich ein gelehrter Begriff. Er entstammt der Theologie der Scholastik und bezeichnet den ästhetischen Zustand der Ewigen Seelen. Diese Vorstellung seliger Durchsichtigkeit lebt in wissenschaftlichen wie literarischen Konzepten der Neuzeit und Moderne fort. Sie erträumt neue utopische Zustände individueller und sozialer Sichtbarkeit: Wird nicht unser Leben friedlich und vollkommen sein, wenn wir selbst und unsere Welt vollkommen transparent sind? Dieser Transparenztraum wirkt in den aktuellen Debatten über den „gläsernen“ Bürger, über das Ende der Privatheit, aber auch in den Forderungen nach perfekter Durchsichtigkeit allen politischen und ökonomischen Handelns nach. Der Vortrag wird an Bildern und an Beispielen aus Philosophie, Literatur und Wissenschaft die Modernisierung der einstigen seligen Zustände illustrieren.
Manfred Schneider, geboren 1944, ist Literatur- und Medienwissenschaftler. Als emeritierter Professor der Ruhr-Universität Bochum lehrt er zeitweise als Gastprofessor am German Department der University of Virginia in Charlottesville, USA. Schneider studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie in Freiburg im Breisgau. 1981 wurde er auf die Professur für „Neuere deutsche Literaturwissenschaft“ an die Universität GH-Essen berufen, von 1999 bis 2013 war er Professor für „Neugermanistik, Ästhetik und Medien“ an der Ruhr-Universität Bochum. Schwerpunkte seiner Forschungstätigkeit sind die Literatur und Ästhetik der Moderne, Medientheorie, Literatur und Recht. Neben seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit äußert sich Schneider immer wieder als Kritiker, Kommentator oder Essayist im Hörfunk sowie im politischen Feuilleton verschiedener Tageszeitungen. Zuletzt veröffentlichte er die viel beachteten Werke „Das Attentat. Kritik der paranoischen Vernunft“ (Berlin, 2010) und „Transparenztraum. Literatur, Politik, Medien und das Unmögliche“ (Berlin, 2013).
Geheimhaltung und Transparenz – Eine Annäherung über die Kunst
Kunst, die sich mit den Themen Geheimhaltung und Transparenz befasst, hat das Potenzial, das aktuelle Verständnis und die Diskussionen über jene Praktiken auf eine subtile, aber wichtige Art und Weise zu verändern. Der Vortrag wird vorherrschende Denkweisen über Geheimhaltung und Transparenz vorstellen, um vor diesem Hintergrund unterschiedliche Herangehensweisen einzelner Kunstwerke zu betrachten. Zum Beispiel kann Kunst die BetrachterInnen von einer auf das Geheimnis bezogenen, reinen Hermeneutik, die an Sinnfragen und interpretierenden Herausforderungen interessiert ist, hin zu einer ästhetischen Erwiderung bewegen, die sich sowohl auf die distributive als auch affektive Kraft des Geheimnisses bezieht. Außerdem können Kunstwerke die Parameter der gemeinhin verbreiteten Debatten über die Geheimhaltung neu gestalten, indem sie fragen, was es bedeutet, von einem „Recht auf Geheimhaltung“ zu sprechen anstatt von einem „Recht auf Privatsphäre“. Darüber hinaus können uns einige Kunstwerke aufzeigen, wie wir uns Transparenz jenseits der gegenwärtigen Bestimmung durch den Neoliberalismus vorstellen können. Kunst hat deshalb das Vermögen, die Geheimhaltung aus den Fesseln des verbrieften, neoliberalen Staates zu entreißen, um neue Wege der Annäherung an, des Begreifens von sowie des Umgangs mit Geheimhaltung und Transparenz anzubieten.
Clare Birchall, ist Kulturtheoretikerin und Dozentin am Department of English, King’s College London. Sie ist die Autorin der Publikationen „Knowledge Goes Pop: From Conspiracy Theory to Gossip“ (Berg, 2006) und Mitherausgeberin von „New Cultural Studies: Adventures in Theory“ (Edinburgh University Press, 2007). Außerdem hat sie als Redakteurin inhaltlich an den Ausgaben der Fachzeitschriften „Theory, Culture and Society“ und „Cultural Studies“ mitgewirkt. Ihre jüngste Forschungsarbeit widmet sich dem Verhältnis von Geheimhaltung und Transparenz im digitalen Zeitalter. Mit ihrem Projekt „DATA – PSST! Debating and Assessing Transparency Arrangements – Privacy, Security, Surveillance, Trust“ nimmt sie mit einer Reihe von Research-Seminaren am Economic and Social Research Council (ESRC) teil. Des Weiteren verbindet Birchall mit ihrer Forschung das Interesse an internetbasierten und Open Access-Formen des Publizierens: Sie ist eine der Herausgeber des Online-Journals „Culture Machine“, Teil des Redaktionsteams und Mitherausgeberin für die „Open Humanities Press“ sowie im Team der Publikationsreihe „Living Books About Life“.
Black Transparency: Fantasy, Subversion, Aesthetics
„Black Transparency“ destabilisiert nicht nur die Strukturen der Macht, sondern entwurzelt auch die Geheimhaltung und/oder Vertraulichkeit von möglicherweise jeder Transaktion, die weltweit gemacht wird. Von Sony bis Ashley Madison, wir leben in einer Zeit noch nie dagewesener Leckstellen. Allerdings scheint es, dass der Zenit der progressiv ethischen und politischen Ideale, die mit Transparenz verbunden sind, bereits hinter uns liegt. Die gesellschaftlichen und politischen Ursachen für die radikale Transparenz, den Hacktivismus und die Straßenproteste in den Jahren 2010 und 2011, ausgelöst durch WikiLeaks, Anonymous und Occupy, haben sich im Grunde völlig aufgelöst. Die Berichterstattung des Post-Snowden-Überwachungsstaates hat sich nahezu privatisiert und befindet sich in wenigen Händen zentraler Medienakteure. Was sind subversive Strategien nach dem Zeitalter der Transparenz und welche Rolle spielen sie für die Ästhetik?
Metahaven wurde 2007 von Vinca Kruk und Daniel van der Velden gegründet. Zu ihren jüngsten Publikationen gehören „Can Jokes Bring Down Governments?“ (Strelka Press, 2013), „Uncorporate Identity“ (Lars Müller Publishers, 2010) und „Black Transparency“ (Sternberg Press, 2015). 2013 wurden Metahaven mit dem Cobra Art Prize ausgezeichnet und vom ICON Magazin als Design Studio des Jahres geehrt. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Publikationen wie etwa 032C, frieze, e-flux journal, New York Times Magazine, Süddeutsche Zeitung, Libération und Paper veröffentlicht. Ihre Projekte wurden unter anderem im MoMA PS1, New York (2013), im Rahmen der Gwangju Design Biennale, (2011), im Artists Space, New York (2013) und Museum of Modern Art, Warschau (2014) präsentiert.
Vertretungsberechtigter Vorstand: Dipl.-Ing. Andreas Wannenmacher, Laura von Schubert-Oetker Registergericht: Amtsgericht Bielefeld Registernummer: VR 1076 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gemäß § 27 a Umsatzsteuergesetz: DE 251853318 Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 55 Abs. 2 RStV: Thomas Thiel
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